Lungen-Behandlung bei Corona ECMO-Therapie rettet nicht genug Leben

DIENSTAG, 14. DEZEMBER 2021

Für einige Covid-Infizierte ist die ECMO-Therapie mit einer künstlichen Lunge die letzte Chance. Doch die Sterberate nach dem Eingriff ist in Deutschland besonders hoch: Zwei Drittel der Patienten überleben die Therapie nicht. Intensivmediziner halten dies für inakzeptabel und vermeidbar. Eine Pflegerin auf einer deutschen Corona-Intensivstation bedient ein ECMO-Gerät.
(Foto: picture alliance/dpa)

Die sogenannte ECMO-Therapie (extrakorporale Membranoxygenierung) spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Pandemie. Eine kleine, künstliche Lunge muss dafür eingesetzt werden, wenn die natürliche Lunge bei schweren Krankheitsverläufen versagt hat. Im internationalen Vergleich sterben in Deutschland jedoch auffallend viele Patienten, nachdem sie sich der Therapie unterzogen haben: 68 Prozent überlebten den Eingriff nicht, berichtet die ARD unter Berufung auf die Auswertung einer Forschergruppe um den Kölner Intensivmediziner Christian Karagiannidis. Für diesen hohen Anteil gebe es mehrere Gründe und die Zahl sei nicht akzeptabel, so Karagiannidis.

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Die Überlebenschancen in anderen Ländern sind der ARD zufolge wesentlich höher. In Paris und Umgebung etwa lebte 90 Tage nach der Behandlung noch beinahe jeder zweite Patient. Im globalen ECMO-Register wird die Sterblichkeit mit 51,9 Prozent angegeben. Abrechnungsnachweise der Kliniken zeigen, dass von März 2020 bis Ende Mai 2021 deutschlandweit 3376 Corona-Patienten eine ECMO-Therapie bekamen. Dort lässt sich auch nachlesen, welche Patienten nach dem Eingriff gestorben sind. Anhand dieser Daten errechnete Karagiannidis die Sterblichkeit von 68 Prozent.

Ein möglicher Grund könnte diesbezüglich das relativ hohe Durchschnittsalter deutscher Patienten sein. In Deutschland liegt es bei 57 Jahren - international etwa bei 51. Ältere Patienten haben eine geringere Chance, zu überleben. Dem ARD-Bericht zufolge ist jedoch wesentlich entscheidender, dass deutsche Kliniken zu wenig Expertise für die Behandlung vorweisen können. Diese ist relativ komplex: Die künstliche Lunge saugt Blut aus dem Körper, reichert es anschließend mit Sauerstoff an und pumpt es zurück.

Kliniken mangelt es an ECMO-Expertise

Der Intensivmediziner Benjamin Friedrichson vom Universitätsklinikum Frankfurt entdeckte, dass die Zahl der Kliniken, die eine ECMO-Behandlung durchführen, in der Corona-Krise von 231 auf 274 stieg. Friedrichson zufolge führten jedoch 205 von diesen 274 Krankenhäusern weniger als zehn ECMO-Therapien durch, im Durchschnitt sogar nur vier. Daraus schlussfolgert Friedrichson, dass es den Klinken an Expertise mangelt, die für das Überleben der Patienten eine enorme Rolle spielt. So ist Vorwissen bereits bei der Auswahl der Patienten und dem Zeitpunkt der Therapie gefragt. In Paris etwa stiegen die Überlebensraten stark an, wenn Krankenhäuser 30 Behandlungen im Jahr auswiesen.

Jede Klinik, die sich den Einsatz von ECMO zutraut, darf in Deutschland praktizieren. Mit einer Vergütung von 92.000 Euro pro Behandlung rechnet Intensivmediziner Karagiannidis nicht damit, dass Kliniken allein mit der ECMO-Therapie Profit machen können. Kostenintensiv seien etwa der Personalaufwand und Verbrauchermaterialien. Doch Krankenhäuser könnten auf andere Weise von ECMO profitieren. So könnte ein Wettbewerbsvorteil in der Konkurrenz mit anderen Kliniken allein aus dem Umstand erwachsen, dass ein Krankenhaus ECMO anbietet.

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Das kann katastrophale Folgen haben. "So sterben womöglich Patienten in Krankenhäusern mit wenig Erfahrung, die überlebt hätten, wenn man sie rechtzeitig in ein großes Zentrum gebracht hätte", sagte Oberarzt Dirk Lunz vom Universitätsklinikum Regensburg der ARD. Die Uniklinik betreibt ein weltweit anerkanntes ECMO-Zentrum. Dort liegt die Sterblichkeit laut Recherchen bei 46,4 Prozent. "Wir waren also um mehr als 20 Prozent besser, obwohl wir die kränkesten der kranken Patienten behandeln", sagte Oberarzt Lunz.

Er schätzt, dass sechs bis maximal acht professionelle ECMO-Zentren in Bayern ausreichten, um Patienten im Bundesland angemessen zu versorgen. Bundesweit bräuchte es demnach 50 bis 60 Zentren. Doch allein in München gibt es bereits acht Kliniken, die ECMO anbieten. Karagiannidis plädiert deshalb dafür, den Einsatz der Therapie staatlich zu regulieren.


Quelle: ntv.de, lve / ECMO-Therapie rettet nicht genug Leben - n-tv.de